Prostitution: Leid und Stuttgarter Hilfenetz

  1. Freiwillig?

Wir wissen: Nur die wenigsten Frauen sind freiwillig in der Prostitution. Vielmehr sind sie aus wirtschaftlicher Not, durch Menschenhandel und unter physischem oder psychischem Druck dazu gezwungen. Auch über die sog. „Loverboy“-Methode* rutschen immer wieder ahnungslose Mädchen und Frauen in das Milieu.

* Link zur Literaturliste: Die Masche der ‚Loverboys‘ - Wenn aus Liebe Zwang wird | Landeskriminalamt Niedersachsen

Die meisten Frauen kommen aus Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Andere kommen aus afrikanischen Ländern und in jüngerer Zeit auch aus Südamerika und China. Der Ausländeranteil liegt bei 90 %, ihr Alter zwischen 18 und 80 Jahren. Die Frauen haben oft keinen Schulabschluss und keine Ausbildung, viele sind Analphabetinnen. In ihren Herkunftsländern fehlt für sie jegliche berufliche Perspektive. Sie hoffen auf ein besseres Leben in Deutschland. Klare Ursache ist das Wohlstandsgefälle.

  1. Das Leid der Frauen

Die Frauen leiden unter dem, was Freier ihnen antun: unter körperlicher Gewalt, Missachtung ihres Körpers und ihrer Seele sowie der eigenen Ohnmacht. Mit diesem Gefühl der Hilflosigkeit und ohne Vertrauen in die eigene Stärke, dazu oft traumatisiert durch die Gewalterfahrung sind sie allein. Ein Ausstieg ohne Hilfe ist nur schwer zu bewältigen.

Die durchschnittlichen Einnahmen pro Freier liegen derzeit bei etwa 30 € für 20 Minuten. Reich werden die Frauen damit nicht. Die Lebenshaltungskosten sind hoch: Die Miete fürs Zimmer im Bordell beträgt etwa 140-160 € – pro Tag! Dazu kommen täglich ca. 25 € Steuern und nicht selten Ausgaben für Alkohol oder Drogen, um den Job durchzustehen. Und oft sind auch noch die Familien im Heimatland zu unterstützen.

  1. Hilfenetz in Stuttgart

In Stuttgart existiert ein gutes und professionelles Unterstützungsangebot, sowohl für die Jahre in als auch nach der Prostitution. Regelmäßig treffen sich Mitarbeitende der Institutionen wie Gesundheitsamt, Caritas, ZORA, Lagaya, Wildwasser, Kirchen und Vereine am Runden Tisch und in Arbeitskreisen. Im Netzwerk werden wichtige Schritte geplant und eingeleitet, um den Frauen größtmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.

  1. Die Anlaufstelle Café La Strada

Wir drei inga-Vorstände arbeiten zusammen mit weiteren Ehrenamtlichen auch im Café La Strada, der Anlaufstelle für Prostituierte im Leonhardsviertel. Das Café ist ein Rückzugsort für die Frauen. Hier können sie sich sicher und wohl fühlen. Für Männer ist der Zugang während der Öffnungszeit untersagt. Es gibt eine Kleiderkammer, die durch viele Spenden meist gut gefüllt ist und von den Frauen gerne besucht wird. Wir bieten kostenloses Essen und Getränke an. Das warme Gericht wird von uns Ehrenamtlichen zubereitet. Wir verteilen Kondome und andere Safer-Sex-Mittel und nehmen uns Zeit für Gespräche, soweit das möglich ist und von den Frauen gewünscht wird. Die Frauen zeigen uns Fotos ihrer Kinder, tauschen sich untereinander aus, lachen und mitunter tanzen sie auch. Wenn Interesse besteht, spielen wir auch gerne Brett- oder Kartenspiele mit ihnen.

Die Sozialarbeiterinnen des Gesundheitsamts und der Caritas sind vor Ort, sodass die Prostituierten die Möglichkeit haben, bei Sorgen oder Problemen auf sie zuzugehen. Bei Ausstiegswunsch werden ihnen in der Anlaufstelle Möglichkeiten aufgezeigt. Die Sozialarbeiterinnen entwickeln mit ihnen einen individuellen Weg und helfen bspw. bei Behördengängen und Bewerbungen. Auch über Streetwork in den Bordellen, Laufhäusern und auf der Straße nehmen die Sozialarbeiterinnen Kontakt auf. Regelmäßig bieten auch Frauenärztinnen in der Praxis über dem Café ihre Sprechstunden an.